Alice Miller
- Klaus-Michael Jetter
- 6. Jan. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Apr.

"Alice Miller (* 12. Januar 1923 in Piotrków Trybunalski, Polen als Alicja Englard; 14. April 2010 in Saint-Rémy-de-Provence, Frankreich) war eine polnisch-schweizerische Autorin und Psychologin.
Sie hat in vielen allgemein verständlichen Werken ihre Ansichten über die Kind-Eltern-Beziehung dargestellt und die Psychoanalyse kritisiert. Deren Triebtheorie bezeichnete Miller als irrealen Glauben, weil die Triebtheorie Traumata der Kindheit als kindliche Phantasien darstelle und die Realität von Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung leugne.
Konsequent trat sie 1988 aus der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung aus. Ihrer Einordnung als Psychoanalytikerin widersprach sie seit Ende der 1980er Jahre vehement (→ Abkehr von der Psychoanalyse) und bezeichnete sich selbst zuletzt als „Kindheitsforscherin“.
Am bekanntesten wurde ihr erstes Buch Das Drama des begabten Kindes, das 1979 und danach mehrmals mit Ergänzungen und Überarbeitungen erschien. In ihrem Werk setzt sie sich kritisch mit der Psychoanalyse sowie psychotherapeutischen und pädagogischen Paradigmen auseinander.
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Über ihre Situation in der Familie schrieb sie 1988: „Die Entdeckung, daß ich ein mißbrauchtes Kind war, daß ich vom Anbeginn meines Lebens unbedingt auf die Bedürfnisse und Gefühle meiner Mutter eingehen mußte und gar keine Chance hatte, meine eigenen zu fühlen, hat mich sehr überrascht.“
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Miller selbst zog ihre Kinder ohne körperliche Strafen auf, räumte jedoch ein, dass sie wegen der früheren Verdrängung ihrer eigenen Gefühle und Bedürfnisse ihrem ersten Kind Martin nicht das Verständnis geben konnte, das er brauchte, und ihn deshalb manchmal vernachlässigt hätte.
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Erst im Alter von 49 Jahren, im Jahr 1972, fing Miller an, zu malen, obwohl sie es sich ihr „ganzes Leben lang gewünscht hatte, ohne daß sich dieser Wunsch deutlich genug hätte durchsetzen können“. Für ihre Bilder verwendete sie „alle möglichen Techniken“, namentlich Öl, Öl-Pastell, Gouache und Aquarell.
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Insgesamt hielt sie ihre Bücher ohne den durch das Malen gewonnenen Freiraum für „völlig undenkbar".
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"Meine persönlichen Erfahrungen halfen mir schließlich zu begreifen, daß die Psychoanalyse die neuen Erkenntnisse über die Kindheit niemals integrieren wird, weil sie es ihrem Wesen nach nicht kann. Sie verdankt ihre Daseinsberechtigung der Verleugnung der konkreten Fakten mit Hilfe von abstrakten, verbrämenden Konstruktionen. Daher verfehlt sie nicht zufällig, sondern zwangsläufig die Wahrheit. Sie ist ein gut funktionierendes System zur Unterdrückung der Wahrheit über die Kindheit, einer Wahrheit, die von der ganzen Gesellschaft gefürchtet wird. Nicht von ungefähr genießt die Psychoanalyse gerade unter Intellektuellen ein hohes Ansehen. Unendliche Gedankenspiele lassen sich an Freuds Theorien knüpfen.“
– Abbruch der Schweigemauer
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Ich halte dies auch für unmöglich, weil ein Therapeut, der einen emotionalen Zugang zu seiner Kindheit gewonnen hat, den ich ja für nötig halte, nicht blind bleiben kann für die Tatsache, daß die Psychoanalyse gerade diesen Zugang um jeden Preis verhindert. Wenn ich häufig immer noch, zu Unrecht, als Psychoanalytikerin bezeichnet werde, dann nur, weil ich es nicht jedesmal rechtzeitig erfahre, um diese Meinung zu korrigieren.“
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Millers Auffassung zufolge sind jahrelange, oft unbewusst erlebte Auswirkungen elterlicher psychischer Einflüsse auf das Kind und die für die beteiligten Personen unsichtbaren Wirkmechanismen die Ursache sogenannten kindlichen Fehlverhaltens und psychosomatischer wie psychischer Krankheiten auch im Erwachsenenalter. Werden diese nicht aufgearbeitet, so argumentiert Miller, werden sie unreflektiert an die Umwelt weitergegeben – z. B. als Eltern an die eigenen Kinder (wobei das Kind mitunter in die Elternrolle gedrängt wird) oder als Politiker an das Volk – oder beispielsweise durch Drogenkonsum oder Kriminalität kompensiert.
Miller ist der Ansicht, dass auch in spektakulären Fällen von Kindesmisshandlung (Trauma) oder Kindesmord immer anhand der Kindheitsgeschichten der Täter bzw. Täterin nachgewiesen werden kann, dass die Ursache der Tat in den eigenen Erlebnissen als Kind zu suchen ist. Gerichtlich bestellte Gutachter im Strafverfahren stellen diesen Zusammenhang in der Regel jedoch nicht her.
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Das Böse verstand Miller im Sinne der Destruktivität geschädigter Menschen. Dass es Menschen gibt, die ursachenlos böse auf die Welt kommen, lehnte sie als falsche Behauptung ab: „Ganz im Gegenteil, alles hängt davon ab, wie diese Menschen bei der Geburt empfangen und später behandelt wurden."
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„Wie wir wissen, eignet sich fast jedes Gedankengut dazu, den in der Kindheit mißhandelten Menschen als Marionette für die jeweiligen persönlichen Interessen der Machthaber zu gebrauchen. Auch wenn der wahre ausbeuterische Charakter der verehrten und geliebten Führer nach deren Entmachtung oder Tod zu Tage tritt, ändert das kaum etwas an der Bewunderung und bedingungslosen Treue ihrer Anhänger. Weil er den ersehnten guten Vater verkörpert, den man nie hatte.“
– Dein gerettetes Leben"
(Wikipedia, 2023)
Von Alice Miller habe ich bisher
"Das Drama des begabten Kindes"
gelesen und den Dokumentarfilm ihres Sohnes über seine Nachforschungen über ihr Leben:
"Wer hat Angst vorAlice Miller"
gesehen.
Klaus-Michael Jetter
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