Mein Herz ist keine Mördergrube
- Klaus-Michael Jetter

- 25. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Aug.

„Glaube nur, was Du selbst als wahr erkannt hast“, soll Siddhartha Gautama, später bekannt als Buddha, gesagt haben. Der ursprüngliche Name der nach ihm benannten Lehre war die „Lehre vom Nicht-Selbst“.
Ich glaube, bevor ich mich mit der „Lehre vom Nicht-Selbst“ befasse, sollte ich feststellen, was ich glaube, was für mich das Selbst ist.
Deswegen dieser Blog
Stell Dir vor, Du kommst auf die Welt und wirst, bevor Du überhaupt das Licht der Welt erblickt hast, aller Möglichkeiten beraubt, Dich zu entfalten. So oder so ähnlich ist es mir ergangen und ergeht es bestimmt bis heute dem größten Teil der Neugeborenen auf dieser Welt, wenn sie in eine lebensfeindliche Umgebung hineingeboren werden.
Jetzt will aber Deine Persönlichkeit, was, wie und wer diese auch immer ist, sich entfalten, wie ein Spross im Samenkorn.
Alkoholkrank
Da ich aufgrund meiner frühkindlichen Traumatisierung alkoholkrank geworden bin, gab es bei mir wenigstens eine Krankheit als Anhaltspunkt dafür, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt.
Wenn man als Kind keine entwickelten Persönlichkeiten als Vorbilder hatte, kann man später nur schwer erkennen, dass etwas fehlt, sondern geht eher davon aus, dass alles in Ordnung ist, wie es ist. Das ist auch ein Grund, dass viele Menschen traumatisiert sind und es nicht wissen.
Ich bin mir erst nach fünfzig Jahren regelmäßigem Alkoholkonsum bewusst geworden, dass ich alkoholkrank bin. Als ich zu „trinken“ aufhörte, fing die Entfaltung meiner eigentlichen Persönlichkeit wie von selbst an. Bis dahin hatte sich vieles bei mir nur in Ansätzen entwickelt.
Persönlichkeitsentfaltung mit Problemen
Da interessanterweise nach meinem Entzug beinahe alle Kontakte zu meinen eigenen Familien abgebrochen waren, hatte ich, nachdem ich austherapiert war, niemanden mehr, mit dem ich mich regelmäßig hätte austauschen können.
Meine jahrzehntelang durch Alkoholkonsum verdrängten Probleme kamen erst jetzt richtig zum Vorschein.
Eines dieser Probleme war das Chaos in meinem Kopf, welches dadurch entstanden ist, dass ich in meiner Kindheit niemanden hatte, der mir wegweisend für die Entfaltung meiner natürlichen Lebensenergie hätte zur Seite stehen können. Die Energie war da, die Leitplanken nicht. Ganz im Gegenteil: Wo sich Fähigkeiten in mir zu rühren wagten, wurde ich mit Häme bedacht.
Aber! Die Energie wollte Raum haben, wollte sich ausdrücken, wollte alltägliche Wirklichkeit werden.
Die Energie wollte Raum
So kam mir nach meiner Entzugsbehandlung über den Umweg von Therapien die Idee, einen Blog zu betreiben, durch welchen ich über das Medium „Schreiben“ hoffte, wenigstens einen Teil meiner Persönlichkeit zur Geltung bringen zu können. Durch das Schreiben fing sich in mir das Chaos zu ordnen an. Es hörte auf, mich zu beherrschen, ich fing an, es zu beherrschen.
Blogarbeit und Intuition
Am Anfang der Arbeit zu diesem Blog stand das Lesen psychologischer Literatur, mit deren Hilfe ich mir in Grundzügen theoretische Kenntnisse über die menschliche Psyche verschaffte.
Gleichzeitig kam die Idee, Beiträge über persönliche Erlebnisse aus meiner alltäglichen Gegenwart zu schreiben.
Innere Logik
Einer inneren Logik folgend konzentrierte ich mich zur Traumaauflösung zuerst auf meine Gegenwart und dann auf meine Vergangenheit. Die Beschäftigung mit meiner Vergangenheit führte unabsichtlich, aber weitreichend zu Kontakten mit Verstorbenen.
Erotik im sexuellen Missbrauch
Weiter „schälten“ sich über emotionale Erinnerungen aus dem sexuellen Missbrauch durch meine Mutter erotische Gefühle in mir heraus. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Diesen Gefühlen war ich als Kleinkind nicht gewachsen, sondern habe sie als lebensbedrohend empfunden und abgespalten. Die frühkindliche Sexualität ist aber, wenn auch unentwickelt, ein wichtiger Teil meines Persönlichkeitsfundaments.

Linear und analog
Wie im Alltag, in welchem sich unser Leben linear und analog entfaltet, entstehen meine Blog-Beiträge auf verschiedenen miteinander verbundenen Ebenen gleichzeitig, aber auf den Ebenen selbst chronologisch.
Das bedeutet für mich, dass ich nicht immer an einer Sache durchgängig dranbleiben kann, bis sie klar ist, sondern oft verschiedene Hilfsmittel benötige, um einen Gedanken aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können, bis er sich für mich über eine Reihe von Beiträgen schlüssig erklärt.
Beiträge Kategorien zuordnen
Für die Beiträge bedeutet es, dass ich zumindest bis heute noch keine Idee gefunden habe, diese wie in einem Buch nacheinander darzustellen. Deswegen ist es gut, dass es die Möglichkeit gibt, die Blogbeiträge auf dieser Website verschiedenen Kategorien zuzuordnen, bei welchen es aber letzendlich immer um das Gleiche geht: „Traumaauflösung durch freies Schreiben“.
In den Kategorien sind die Beiträge chronologisch so angeordnet, dass immer zuerst die ältesten Beiträge erscheinen, welche das Fundament der anschließenden Ideen zur „Traumauflösung durch freies Schreiben“ bilden. Meiner Entwicklung folgend fügen sich die neueren Beiträge dann später weiter unten an.
Hilfen zur Entfaltung der Persönlichkeit
Zur Entfaltung meiner Persönlichkeitsanteile half mir bis heute unter anderem:
Irvin Yaloms Konzept der „Existenziellen Psychotherapie“ als analytischer Gedankenanstoß,
Luise Reddemanns „Psychodynamische Imaginative Traumatherapie“, die mir die Kraft der Imagination nahebrachte,
Alice Millers Ansatz der transgenerationalen Traumatisierung, gegen die man sich nicht wehren kann,
Oliver Lazars Buch über Nachtodkontakte, welches mich indirekt zur Kontaktaufnahme mit meiner verstorbenen Schwester führte,
eine deutsche bibelkundliche Schamanin, die mich Vergebung lehrt und
Buddhas „Lehre vom Nicht-Sein“, welche durch Anwendung von Meditation zur Überwindung von Karmas führen soll,
und viele/s andere/s mehr …
Zwischenzeitlich bin ich an einem Punkt angelangt, wo es in meinem Leben -zumindest vorerst in der Theorie -losgelöster von meinen Kindheitstraumata um nichtkörperliche Erfahrungen durch Meditationen aus dem Theravada-Buddhismus geht, welche sich vermutlich nicht mehr in Worte fassen lassen.
Mein Herz ist keine Mördergrube
Stand heute ist es mir nach wie vor wichtig, überhaupt diesen Blog zu betreiben, damit mein Herz keine Mördergrube wird. Denn zu viel an transgenerationalen Traumata haben sich aus unseren Ursprungsfamilien heraus in unsere selbst gegründeten Familien hineingeschlichen und tun es heute noch. Durch das Schreiben findet keine Schuldzuweisung statt, sondern es kann sich Schuldvergebung entwickeln.
Letztendlich muss ich mir selbst vergeben, was ich „angerichtet“ habe, und immer wieder vergeben, was mit mir „angerichtet“ wurde und immer wieder „angerichtet“ wird.
Klaus-Michael Jetter
Frühsommer 2025
Der Beitrag ist von der Idee her in Ordnung, aber sonst in Ordnung.