Heulen hilft
- Klaus-Michael Jetter

- 1. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Royalteen: Prinzessin Margrethe"... oder wie Klischees mich triggern und zum Heulen bringen
Klischee bedeutet unschöpferische Nachbildung; Abklatsch

In dem Film "Royalteen: Prinzessin Margrethe" geht es um eine Prinzessin, die dazu bestimmt ist, eine festgelegte Rolle, ihrer Abstammung und Position entsprechend, in der Gesellschaft zu spielen. Dementsprechend ist sie hart zu sich und zu allen anderen.
Bei einer Entgleisung während einer Schulabschlussfeier, während der sie sich immer mehr von ihren Mitschülern entfremdet hat, nimmt sie u.a. Kokain zu sich und wird von dem Mitschüler, der ihr das Kokain gegeben hat, dabei gefilmt.
Sie bricht zusammen und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Ihre Mutter, die Königin verlangt von ihr, nie mehr Drogen zu nehmen. Wenn das an die Öffentlichkeit dringt, schadet sie nicht nur sich selbst, sondern allen. Sie muss stark sein, sie ist die Stärkste in der Familie. Sie habe Verpflichtungen.
Im Verlauf des Films fordert sie ihren Mitschüler immer wieder erfolglos auf, den Clip zu löschen.

Der Mitschüler verlangt als "Bezahlung" für das Löschen des Films Sex mit ihr. Sie weigert sich. Sie beschimpft ihn und sagt, dass sie lieber als alte Jungfrau sterben möchte, als mit ihm - dem erbärmlichen Widerling - ins Bett zu gehen.
Daraufhin veröffentlichte er das Video. Die Öffentlichkeit verlangt eine Erklärung.
Die Presseabteilung des Königshauses bereitet mit ihr zusammen eine Erklärung vor, an die sie sich aber nicht hält.

Sinngemäß sagt sie: das
sie ständig Angst vor allem möglichen hat.
sie sehr einsam ist,
sie sich mit den Drogen fühlt, wie wenn sie wie alle anderen wäre.
sie sich wünscht, sie wäre cooler, besser, klüger, aber sie ist es nicht.
"Ich bin nur ich. Ich bin nur Margrethe."

Ab dem Zeitpunkt im Film, als sie die ersten Worte bei der Pressekonferenz sagte, fing ich zum Heulen an. Ich heulte bis zum Ende des Films.
Ein Filmkritiker hat den Film zerrissen, weil er seiner Meinung nach die Wandlung der kalten zur warmherzigen Prinzessin zu klischeehaft darstellt.
Ich für meinen Teil kann sagen, ein Film, der mich innerlich so tief berührt, wie dieser, darf ruhig klischeehaft sein.
Was hat das mit mir zu tun?
Meine Mutter hat mich zum Prinzen gemacht, als sie mich sexuell missbrauchte.
Unbewusst habe ich die Verantwortung für sie, die Königin, übernommen und war stolz darauf. Die anderen hatten nicht den Wert, den ich durch meine Mutter erhalten hatte. Damit sie mit ihren Schuldgefühlen leben konnte, musste ich stark sein. Ich konnte auch nicht so sein, wie ich in Wirklichkeit war.

Ich war allein damit, da ich das Leiden nicht fassen und niemanden mitteilen konnte. Es hätte auch nichts geholfen, da niemand da war, der mich hätte trösten können.
Genau genommen geht es mir heute noch so. Ich fühle mich immer noch als Außenseiter. Nur kann ich jetzt dem Leiden von damals mehr Ausdruck verleihen, indem ich zum Beispiel heule oder wie jetzt, darüber schreibe....
Heulen hilft
Heulen hilft, indem es mich gefühlvoller macht. Dadurch fühle ich mich mit meinen Mitmenschen mehr verbunden. Außerdem kann ich besser nachvollziehen, warum viele so verschlossen sind. Weil sie die Schmerzen, welche die verletzenden Handlungen in ihrer Kindheit verursacht haben, nicht wieder spüren wollen. Aber genau durch diesen verdrängten und wieder zugelassenen Schmerz entsteht die Verbundenheit, welche ich in meiner Kindheit so vermisst habe.
So bin ich zwar rein äußerlich immer noch allein, aber innerlich nicht mehr so einsam.
Ich fühle mich durch mich selbst mehr in mir und bei meinen Mitmenschen aufgehoben.
Ich bin nur ich. Ich bin nur Michael.

Klaus-Michael Jetter



Kommentare