Wie ich meine eigene emotionale Verwahrlosung erkenne
- Klaus-Michael Jetter
- 4. Feb. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Apr.
Ein großes Problem bei meiner eigenen Traumatisierung ist die fehlende Wahrnehmung der Traumatisierung.
Da ich ab meinem 16. Lebensjahr regelmäßig Alkohol getrunken habe, habe ich unbemerkt die Traumatisierung andauernd aufrechterhalten. Als ich mit 64 aufhörte zu trinken, brauchte es nur fünf Tage, bis ich gemerkt habe, dass ich mich mein Leben lang nicht richtig wahrgenommen habe. Ich spürte mich plötzlich selbst und dadurch alles um mich herum intensiver.
Heute leide ich darunter, dass ich keinen Kontakt zu meinen Kindern habe.
Woher kommt es, dass meine Kinder mir gegenüber verschlossen sind?
Bei einem meiner morgendlichen Spaziergänge (ich bin frühmorgens immer allein mit meinem Hund unterwegs) kam mir ein Bild in den Sinn.
Erkenne emotionale Verwahrlosung im Schatten meiner Vergangenheit

Ich sehe mich selbst als Kind, das darauf wartet, gesehen zu werden. Ich befinde mich in einem "luftleeren" Raum. Es ist weder kalt noch warm. Ich strahle Liebe aus, erhalte aber keine Liebe. Ich möchte in den Arm genommen werden, werde aber nicht in den Arm genommen. Dieses Alleinsein hat bei mir Todesangst ausgelöst. Da ich weder angreifen noch flüchten konnte, bin ich erstarrt. So habe ich dann wenigstens die Angst nicht mehr gespürt.
Ich lebte in einem gefühllosen Zustand weiter, bis eines meiner Kinder immer wieder Panikattacken bekam und dissoziierte. Gleichzeitig kniff es sich immer wieder heftig in den Arm und schlug sich selbst.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich etwas Grundlegend bei der Erziehung meiner Kinder falsch gemacht haben musste.
Ich hatte für meine Kinder kein Mitgefühl. Ich hatte kein Mitgefühl, weil ich selbst kein Mitgefühl bekommen und so Mitfühlen nicht gelernt habe. Ich war ja erstarrt.
Diese Erstarrung hielt so lange an, bis ich die Erstarrung bei meinen eigenen Kindern sah.

Ich konnte die Erstarrung nur sehen, weil ich meine Kinder von Grund auf liebe.
Durch das regelmäßige Trinken, die verdrängten Todesängste und die verdrängte Liebe habe ich nicht bemerkt, dass meine Kinder außer meinem Dasein auch meine emotionale Zuwendung gebraucht hätten.
So haben meine Kinder in mir Erinnerungen an meine emotionale Verwahrlosung wach gerufen, die ich verdrängt hatte.
Sie sind der Spiegel meines Selbst und zeigen mir auch meine dunklen Seiten.
"Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein ..." (Johannes 8)
Klaus-Michael Jetter
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